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Das 15. Preetzer Papiertheatertreffen

aus: Oldfux Nr.3 / 2002

Im Jahre 1988 hielt man das erste Papiertheatertreffen in Preetz ab, einem kleinen gemütlichen Ort 15 km südöstlich von Kiel gelegen. Damals waren es Dirk Reimers und seine Frau Barbara, die nach nur ein paar Jahren so großes Interesse am Modelltheater fanden, dass sie die Initiative ergriffen und das sogenannte Papiertheaterfestival ins Leben riefen.
Eine Heimat dafür fanden sie in den Räumen der Volkshochschule in Preetz, deren Leiter, Jürgen Schiedeck, sämtliche Papiertheatertreffen mit großem Enthusiasmus und Engagement begleitete. Zusammen mit Dirk Reimers kämpfte er dafür, diese Treffen zu Ereignissen mit Substanz zu machen.

Der BÜrgermeister von Preetz sagte anlässlich der Eröffnung vor zwei Jahren, dass man bald das Wort „Preetz“ nicht mehr ohne den Zusatz „Theater“ erwähnen könnte. Das ist wirklich wahr und der Bürgermeister freut sich vermutlich über die mehr als 1000 Besucher, die jedes Jahr zur Zeit des Treffens das Leben in Preetz prägen. Auch Hotels, Geschäfte und Restaurants profitieren von diesem Ereignis, das alljährlich vom  6.–8. September stattfindet.

Das 15. Papiertheatertreffen konnte mit Papiertheaterspielern aus Deutschland, Holland, England, Norwegen, Schweden, den USA und – in aller Bescheidenheit – Dänemark prahlen. Diese internationale Zusammensetzung trägt natürlich dazu bei, dass das Papiertheater in allen seinen Facetten präsentiert werden kann. Das ist eines der großen Verdienste, das sich das Papiertheatertreffen in Preetz mit Zufriedenheit auf seine Fahnen schreiben kann.

Diese kleine Stadt in Deutschland (ja, der Ausdruck stammt von John le Carre) war zu der Zeit der Ort, der in einer kritischen Periode des Papiertheaters verschiedene Impulse und Ideen in einer professionellen und netten Art und Weise zusammenführte.
Diese kleine Stadt in Deutschland hätte auch jeder andere Ort in Europa sein können, weil es weder eine spezielles historisches Ereignis noch einen Modelltheaterverlag in der Nähe von Preetz gibt. Und auch sonst findet sich hier keine andere Begebenheit, die man in Verbindung mit dem Papiertheater bringen könnte.

Schon eher ist es eine Reihe von Personen, die verschiedene Ideen hatten und diese in die Tat umsetzten.
All dies hätte trotz allem nicht realisiert werde können, wenn es keinen soliden ökonomischen Hintergrund gegeben hätte.

Als das Papiertheatertreffen zum ersten Mal stattfand, waren die Stadt Preetz und das schleswig-holsteinische Kultusministerium unter den großen Sponsoren. Das war in den goldenen „Achtzigern“, als das progressive Westdeutschland noch als Vorbild innerhalb der Weltwirtschaft galt. Ein hoher Grad an Beschäftigung, niedrige Inflation, ein gutes Bruttosozialprodukt und eine Zukunft, die insgesamt gesehen als voraussehbar sicher galt.
Aber so sollte es nicht weitergehen. Die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland brachte eine Verschlechterung für die deutsche Wirtschaft mit sich, die ebenfalls Auswirkungen auf das Papiertheatertreffen in Preetz hatte. In immer größerem Umfang musste der Blick auf private Sponsoren gerichtet werden, um das ganze am Leben zu erhalten.

Es ist traurig, das die Wirtschaft immer ausschlaggebend dafür ist, ob eine kulturelle Begebenheit mit Erfolg durchgeführt werden kann oder nicht, aber eigentlich stellt das Treffen in Preetz eine Ausnahme dar. Jahr für Jahr schien die ökonomische Situation unsicherer zu werden, jedes Jahr fühlte man sich genötigt, den Gürtel enger zu schnallen oder sich nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umzusehen – und jedes Jahr glückte dieses. Nun, 15 Jahre später, kann man konstatieren, dass die Kombination aus einer ungewöhnlich großen Beständigkeit auf Seiten von Dirk Reimers und Jürgen Schiedeck mit einem positiven und aktiven Interesse der deutschen Behörden bewirkt hat, dass das Treffen immer noch stattfindet, und das obwohl die Finanzierung aufgrund der schwierigen ökonomischen Lage immer mehr auf private Sponsoren stützen muss. So findet das Treffen auch im Jahr 2003 vom 12.–15. September statt.

Und das ist, wenn man das Ganze philosophisch betrachtet, auch besonders gerechtfertigt. Denn wie sah die Situation am Ende der Achtziger eigentlich aus? Wie erging es den alten Bilderbögen von Neuruppin und Scholz, von Alfred Jacobsen und Pollock? Ja sie waren noch am Leben, aber unter sehr schwierigen Bedingungen. Video und Computer und das stark gestiegene Angebot an Freizeitaktivitäten bewirkten nicht gerade eine Wiedergeburt des Papiertheaters.

Eher im Gegenteil: der Staub lag zentimeterhoch auf den Modelltheatern und immer weniger Menschen interessierten sich für dieses alte Hobby mit dem etwas seltsamen Ansehen. Das Hobby befand sich also absolut auf dem Rückzug.
Sicherlich gab es vereinzelt Papiertheatertreffen in Deutschland, es existierte eine dänische Papiertheatervereinigung, es gab ein Papiertheatergeschäft in Kopenhagen und in London, aber es war offensichtlich, dass dem alten Papiertheater und seinem Versuch, jahrhundertealte Theatertraditionen diverser europäischer Theater wiederzubeleben, keine besondere leuchtende Zukunft winkte.
Das gesamte Papierphänomen bestand aber aus viel mehr. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich im Laufe von fast zwei Jahrhunderten mit dem Papiertheater beschäftigt haben.

Wenn man bedenkt, wie viele Ressourcen eingesetzt wurden, um Kinder und Erwachsene mit einem (der Ausdruck sei entschuldigt) pädagogischen Spielzeug zu beschäftigen, das in diesen Jahrhunderten Tausende und Abertausende Kinder und kindliche Seelen hinzureißen vermochte.
Ist es egal, dass sowohl Goethe, Hans Christian Andersen, Johan Ludvig Heiberg, Robert Louis Stevenson als auch Winston Churchill mit Puppentheatern gespielt haben? Nein, das ist es nicht – ihr Spiel führte in verschiedene Richtungen mit großen Resultaten und man kann fast verlangen, dass es unsere Pflicht ist, das Papiertheater als Gabe an die Kultur und somit als Gabe an die Menschheit weiterzuführen.
Das sind große Worte, aber historisch betrachtet nicht so groß, dass man sie nicht dokumentieren könnte. Daher sollte das Papiertheater bewahrt werden und das Papiertheatertreffen in Preetz kann sich mit Recht dafür rühmen, dass es in der Gegenwart vielen Menschen Freude und Inspiration vermittelt hat.

Aber darüber hinaus hat es ohne Zweifel dazu beigetragen, dass sich neue Ideen und Richtungen entwickelt haben, deren Resultate wir noch nicht kennen. Das erinnert an einen Förster der dabei ist, einen neuen Wald anzulegen. Er wird vielleicht die Früchte seiner Arbeit selbst nicht genießen können, aber die Nachfahren werden sich seiner Voraussicht erfreuen und die Bäume fällen können, wenn sie groß genug sind.
Wir sollten keine Bäume fällen, sondern uns im Gegenteil darüber freuen, dass es in Preetz einige Menschen gab, die sich zum richtigen Zeitpunkt darauf verstanden, die Papiertheaterfamilie an sich zu binden. Dadurch konnten sich die Menschen zusammenfinden, die das Papiertheater immer noch für ein schönes Hobby halten, um die Inspiration und den Zusammenhalt zu finden, der so wesentlich für dessen Weiterbestand ist.
Darüber hinaus fanden diese Menschen ein Publikum, das sonst nie Bekanntschaft mit dem Papiertheater gemacht hätte und das kann man nicht hoch genug bewerten.

Statistiken sind eher ermÜdend, aber es ist interessant festzustellen, wie viele verschiedene Papiertheatergruppen seit 1988 in Preetz aufgetreten sind. Es waren mehr als 100.
Noch beeindruckender ist die Vielfalt der Vorstellungen, die gegeben wurden. Sollte man all diese beschreiben, wäre das ein ganzes Buch und das ist nicht Sinn der Sache.
Trotzdem kann man nicht umhin, an Dirk Reimers selbst zu denken, der mit sehr traditionellem Papiertheater begann und der seine Vorstellungen ganz langsam zur einer Performance entwickelt hat, in denen er mit seinen flachen Papierfiguren gleichzieht.

Die traditionelle deutsche Kultur und Literatur wurde jedes mal wunderbar von Heinz und Gerlinde Holland repräsentiert, die mit „Carl-Hellriegel-Nachfahren“ ein wiederkehrendes Ereignis bei den Papiertheatertreffen darstellten. Leider verstarb Heinz Holland im vergangenen Jahr und es war seltsam, in diesem Jahr an einem Treffen teilzunehmen, an dem seine dunkle charakteristische Stimme nicht das Publikum verzauberte.

Desgleichen prÄsentierten Peter Baldwin und George Speaight das klassische englische Papiertheater mit großer Behändigkeit und hintergründigem britischen Humor.
Ab Vissers aus Holland hingegen ist den verschiedenen Modephänomenen des Papiertheaters entgangen und hat sich treu an das Klassische und Einfache gehalten, das er jedoch mit vollkommener Perfektion meisterte. Auch kann man nicht umhin, sich der jungen zweiköpfigen ostdeutschen Theatergruppe zu erinnern, die auftraten, ehe der eiserne Vorhang fiel.
Sie inszenierten Wilhelm Tell, begleitet von einem älteren Mann. Er half bei verschiedenen Dingen hinter der Bühne, aber später erfuhren wir, dass er von der Stasi gesandt worden war, um zu überwachen, dass die zwei jungen Akteure nicht von den Annehmlichkeiten des Westens korrumpiert wurden. Ach ja, das Papiertheater wurde politisch, ohne es zu wollen.

Aber spÄter gab es Zulauf zu den Vorstellungen mit politischen Inhalten in Preetz, was illustrierte, dass das Papiertheater erwachsen „wurde“.
Man hält fest an der Atmosphäre und Traditionen der Biedermeierzeit, aber gleichzeitig ist man, wie die ostdeutsche Theatergruppe, auf die große Welt draußen aufmerksam geworden.  
Auf diese Weise, hat das Papiertheatertreffen in Preetz dazu beigetragen, etwas zu prägen und zu entwickeln, zu unterhalten und zu begeistern – gleichzeitig wurden die einzelnen Papiertheaterspieler sich bewusst, dass die Zeit sich änderte und dass das Papiertheater nicht nur Papiertheater war, sondern sie selbst darstellte.
In der Zeitung „Suffløren“ der Dansk Dukketheaterforeningen entstand in Verbindung mit dem 50-jährigen Jubiläum der Vereinigung 1993 eine kleine Debatte über die Zukunft des Papiertheaters.
Verschiedene Personen äußerten sich dazu; sie teilten die Überzeugung, dass sie das Papiertheater wenn schon nicht als toten Hering, dann aber auf jeden Fall als einen Hering auf dem Weg dorthin ansahen. Nur einer vertrat die entgegengesetzte Ansicht. Dirk Reimers sagte damals, dass er der absoluten Überzeugung war, dass die Menschen im Jahr 2000 der modernen Technik überdrüssig sein würde und dass daher das Interesse am Papiertheater stark wachsen würde.
Dirk Reimers war der einzige, der Recht behalten hat, aber er hatte schließlich auch einen großen Anteil daran.

Für die Übersetzung aus dem Dänischen danken wir Andrea Feddersen.

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