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Ein wenig über Preetz

zum 16. Preetzer Papiertheatertreffen September 2003
aus: Nyhedsbrev Dansk Dukketeaterforening

Die wohl grÖsste Begebenheit seit dem letzten Nyhedsbrev (Rundbrief) war das 16. Papiertheatertreffen in Preetz. Es ist die jährliche Gelegenheit, andere Papiertheaterbegeisterte auf internationaler Ebene zu treffen.
Sechs Länder waren vertreten und es wurde auf 15 Theatern gespielt. Für diejenigen, die noch nicht in Preetz waren, lässt sich sagen, dass es eine kleinerer Ort ist, der in der Nähe von Plön und ca. 15 km von Kiel gelegen ist. Es leben etwa 16.000 Menschen im Ort und die umliegende idyllische Landschaft mit Seen und Wäldern ist sehr schön. Der alte Ortskern ist geprägt von einer gemütlichen Straße mit breitem Rinnstein, mit rinnendem Wasser und Trittsteinen, wie man es von Bildern der alten dänischen Städte kennt. Sonnabends wird hier immer ein großer Markt abgehalten, auf dem die Bauern der Umgebung ihre guten Produkte verkaufen. Am Ende dieser Kirchenstrasse liegt selbstverständlich die Kirche aber auch die Volkshochschule Preetz. Und hier ist der Ort, an dem Dirk Reimers und Dr. Jürgen Schiedeck unermüdlich alle Jahre hindurch das Preetzer Papiertheatertreffen arrangiert haben. Wir bekamen zu hören, dass es auch ein 17. Papiertheatertreffen geben wird – also auf Wiedersehen im nächsten Jahr!

 

Ein wenig mehr Über die Vorstellungen in Preetz:
W innie Ebert, Hanne Nelander und Poul Andersen haben diese Eindrücke gesammelt.
Im Übrigen können wir auf eine etwas knappere Darstellung im Suffløren Nr. 4 vom Oktober 2003 verweisen.

 

Papiertheater Pollidor: „Als der Regenbogen verboten wurde“

Dirk Reimers und seine Frau Barbara inszenierten diese Aufführung. Wenn wir ein bearbeitetes Märchen von Grimm erwartet hatten, wurden wir überrascht. Es war vielmehr ein aktuelles politisches Stück, wenngleich auch die Idee tatsächlich einem Märchen entstammt: „Als die Farben verboten wurden“.
Das Stück führt gedanklich in die stalinistische Periode in Russland, in der alles grau in grau war. Die Kulissen und Figuren in einfachem naivem Stil passten gut zu dieser modernen realistischen Erzählung, die doch wie früher ein wenig von einem Märchen an sich hatte, weil ein altes kräuterkundiges Weib alle Dinge zuletzt wieder zurecht rückt. Hervorragend gemacht von Dirk und Barbara. Eine Erzählung, die etwas erreichen wollte und die zeigte, dass kein Thema für das Papiertheater unmöglich ist. Es war schön zu sehen, dass Dirk wie gewöhnlich auf seinem Theater mit der Aufschrift „Ej blot til lyst“ (`Nicht nur zum Vergnügen`).
Es waren bewegte Tage für diesen Herren. Sowohl auf dem eigenen Theater spielen, sein Geschäft öffnen und eine Hauptrolle in diesem großen Arrangement spielen. Toll gemacht!

Römers Privattheater: „Joseph und seine Brüder“

Die alte Geschichte um Josef und seine Brüder, wie wir sie aus der Bibel kennen, wurde erzählt wie Josef selbst es hätte tun können, mit viel Fantasie und Tempo. Eine tolle Vorführung in Bezug auf Sound und Licht und tolle Kulissen im ägyptischen Stil.
Wenn man etwas kritisieren wollte, so wäre das die Uneinheitlichkeit der Figuren in Größe und Gestaltung. Die gleiche Familie Römer zeigte im Jahr 2001 eine Mischung von Glucks Oper „Orfeo“ und Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ mit großem Erfolg.

Paperplays: „The Hound of the Baskervilles“

Eine hervorragende Aufführung von Joe Gladwin, der auf Englisch mit Leben und Spaß in einem irrwitzigen Tempo sämtliche Rollen sprach und dabei noch zahlreiche Kulissenwechsel bewältigte. Keine toten Momente oder lange Mono- und Dialoge. Joe war formidabel als heulender Hund. Die Kulissen waren einfach aber voll ausreichend für den Zweck. Joe hat sowohl die Bühnenbilder als auch die Figuren selbst gezeichnet.
Eine fantastisch gute Begleitmusik von Helen Porter, die das Gesprochene begleitete ohne es zu übertönen. Man lernte hier etwas über Timing. Die Handlung ist wohl den meisten bekannt, so dass sie hier nicht erläutert werden muss. Aber das besondere bei seiner Vorstellung war, dass sie mit dem alten Sherlock Holmes begann, der sich an die Aufklärung dieses Falles erinnert. Das Stück endet damit, dass seine Haushälterin kommt und ihn tot in seinem Stuhl vorfindet. Dabei konnte Joe zum Herzerweichen schluchzen, während wir uns amüsierten – wie unsensibel!
Wenn man nun irgendetwas kritisieren wollte, so wäre es, dass die Figurgestaltung zu uneinheitlich war. Aber es war eine unglaubliche Vorstellung von Joe Gladwin, der mindestens genauso professionell spielte wie Peter Baldwin. Das Stück war bereits letztes Jahr auf dem Programm in Preetz, fiel dann aber aus. Joe hat schon in den USA, Frankreich und Holland gespielt und mit großem Erfolg Vorstellungen wie „Dracula“, „Cinderella“ und „Die Schöne und das Biest“ gezeigt.

Long Live Toy Theater: „Delineator Slam“

Mit diesen drei verschiedenen Märchen, die live aufgeführt wurden, hatte Lynn Zetzman ihr Debüt in Preetz. Das erste Märchen war „Der Rattenfänger von Hameln“ (Pied piper), das in Gedichtform vorgetragen wurde. Das nächste war das Märchen „Die weißen Schwäne“ (Wild swans) und das letzte war ein Märchen (Valentine Romance) über eine Heldin, die einen Zinnsoldaten heiraten sollte, nicht H.C. Andersens Version, sondern ein anderes mit einer sehr modernen Pointe.
Die meiste Zeit spielte Lynn die Erzählerin, was ihr ausgezeichnet gelang. Ansonsten gab es keine besonderen Effekte, die Vorstellung war ausgezeichnet geeignet für Kinder.
Die drei aufgeführten Stücke entstammen dem illustrierten amerikanischen Magazin „Delineator“ aus den Jahren 1918/19. Das Proszenium des Theaters war eine vergrößerte Ausgabe von ‚Mc Loughlin Brothers American Theatre’. Eine schwarz weiße Abbildung dieses Theater findet sich in Peter Baldwins Buch „Toy Theatres of the World” (S. 139). Lynn hat selbst das Proszenium mit Ölfarben bemalt. Im gleichen Buch kann man auch etwas über das The Delineator Children’s Theater lesen (S. 141–143). 

Great Small Works: „Soil Desire People Dance“ und „Marcovaldo“

Es wurden insgesamt drei Stücke aufgeführt, von denen man nur vom ersten sagen kann, dass es etwas mit Papiertheater zu tun hatte. Das Ganze begann mit einer Papiermarionette, einem Mann, der auf einem Kasten stand, und Stück für Stück wurde um ihn herum ein Theater aus Pappe aufgebaut. Später kamen Kulissen hinzu, entweder aus brauner Pappe oder Metall. Das klingt jetzt nicht die Spur spannend, aber es war hervorragend gemacht. Es sollte einen Mann darstellen, der durch eine Großstadt spazierte und alles war ständig in Bewegung begleitet von hervorragenden Lichteffekten.
Die Figuren waren zum Teil Fotografien, zum Teil aus Metall ausgestanzt. Die Vorstellung lebte nicht von ihrer Geschichte, die ziemlich langweilig wirkte, sondern bestach durch exzellente Effekte. Am Ende, als die Hauptperson über die Wolken nach Bombay fliegt, wird dies dadurch gezeigt, dass sich die Wolken auf den Boden senken, eine fantastische Wirkung. Toll gemacht und weit weg von der klassischen Alfred Jacobsen-Tradition.
Das zweite Stück war eine Aufführung à la „Seeräuber Jenny“, in der die Sängerin ein Tableau vor dem Bauch trug. Die Weise, die sie sang, handelte von einem Löwenbändiger namens Georgie Bushwack und seinem Vater, der Präsident von Amerikas Löwenbändigern gewesen war.
Die dritte Vorstellung wurde teilweise auf einem Schirm und teilweise auf einem Tisch mit Hilfe kleiner Figuren und Pappstücke gespielt. Sie handelte vom Leben des Vitus Bering und hatte nichts mit Papiertheater gemein. Hier bediente man sich der Epidiaskoptechnik mit einem Videoprojektor mit Rückprojektion. Der Schirm war leider in Bodenhöhe platziert, so dass die Zuschauer der ersten Reihe das meiste verdeckten.
Zusammenfassend muss man sagen, dass hier neue Wege ausprobiert wurden – mit überraschendem Resultat.

Vischmarkt Papieren Theater: „Ein Sommernachtstraum“

Das Stück wurde auf Englisch gespielt und gesungen mit einem deutschen Erzähler. Die Personen sangen zu computergesteuerter Musik von Mendelssohn. Die Idee war gut, aber der Sound, der entstand, war nicht gut genug. Aber man muss die unglaublich hübschen Figuren und Kulissen im Renaissancestil bewundern und dann war da auch noch die Nachtwaldkulisse, die alles in den Schatten stellte.
Nach der Vorstellung zeigte Harry, wie man eine Figur eine Treppe hochgehen lassen kann – von der Seite gesehen. Als er hörte, dass wir Dänen sind, gestand er, dies in einem dänischen Buch gefunden zu haben. Seine Bühnenbilder wurden, wie bei vielen anderen Theatern in Preetz auch, in tiefe Rillen im schwarzgemalten Boden geschoben. Die Bühnenbilder stellte er aus einem etwa 2 mm dicken Material her, das Architekten benutzen, um Modelle zu bauen.
Die Bühnenbilder kann man auf Oudekers Homepage ansehen oder eventuell auch herunterladen. Sie sind dort in einer niedrigen Auflösung abgelegt und können daher nicht auf volle Größe gebracht werden.

Papiertheater der urbanen Kriminalität:
„Die Rückkehr des Dr. Mackuse“

Ein satirisches, revueartiges Stück, das in Versform vorgetragen wurde, aber aufgrund des starken Berliner Dialektes und der lauten Begleitmusik unmöglich zu verstehen. Abgesehen davon habe ich dennoch nie zuvor derart hübsche Stadtkulissen gesehen. Eine Taxitor durch das alte Berlin mit Hilfe von rollenden Kulissen war der Höhepunkt des Abends. Dazu kam, dass die Figuren, die computergezeichnet waren, dreidimensional wirkten. Sehr hübsch, nur schade, dass man nicht soviel verstehen konnte.

Robert Poulter's New Model Theatre: „Pandemonium“

Hier konnte man von einer alternativen Gestaltung eines Papiertheaters sprechen. Es war ganz schwarz angemalt. Der Handlung war schwer zu folgen, was andere bestätigten, mit denen ich später sprach, aber dafür gab es schöne Kulissen und Figuren, die Robert selbstverständlich selbst gezeichnet hat. Er führte die Vorstellung im Alleingang vor, nur unterstützt von einem Kassettenrekorder und meiner Meinung nach schrecklicher Musik. Aber man kann nicht bezweifeln, dass er professionell und gut spielt und seine Kulissen sind toll mit vielen Effekten.
Am Ende wurde eine schöne Seeschlacht gezeigt, mit Hilfe von Licht, Schatten und Sound mitsamt bemaltem Glas. Das Stück zeigte die Arbeiten des französisch/englischen Malers Philip James de Loutherbourg. Er revolutionierte den Begriff der TheaterDekoration dadurch, dass er seine Kulissen von hinten beleuchtete. Die Tate Gallery in London zeigt 91 Werke dieses Künstlers, die meisten davon sind dramatische Landschaftsgemälde.

Figurentheater Liselotte: „König Keks“

Zwei Personen agierten hinter der Bühne und sie spielten alle Rollen. Leider waren die Stimmen nicht nuanciert genug und es war sehr schwer, sie voneinander zu unterscheiden. Es handelte sich um ein Märchen für Kinder, in dem die Kulissen und der König Naschkram waren. Der Dialog war voll von Leckereien, süßen Ausdrücken und klebrigen Situationen und Nüssen, die zu knacken waren. Die Idee war gut, aber es war schwer, sie auf eine ganze Stunde auszudehnen.

Peter Baldwin’s Toy Theatre: „Black Ey’d Susan“

Peter Baldwin spielte auf einem offenbar antiken Theater, dem »William West Toy Theatre« ca. aus dem Jahr 1820. Er spielte live und mit professionellem Humor „Black Ey'd Susan”, die übliche Geschichte über eine schwer geprüfte Liebe.
Susan und William sind verheiratet, aber es mangelt unter anderem an Geld für die Miete die sie ihrem böswilligen Onkel schulden. William fährt zur See und während er weg ist, muss Susan ihre Ehre und das Heim verteidigen. Die Situation wird dadurch verschlimmert, dass man ihr erzählt, dass ihr geliebter William ertrunken ist. Sein Admiral verliebt sich heftig in Susan, die er zu verführen versucht. Natürlich kommt William zur rechten Zeit, um seine Geliebte zu retten, aber er wird zum Tode durch den Strang verurteilt.
Sein Kapitän, den William einst vor dem Tod rettete, kommt in letzter Minute vor der Hinrichtung und erklärt, dass William rückwirkend vom Seemannsdienst befreit ist. Dadurch wird der Richterspruch ungültig, da dieser einem Soldat im Dienste galt. William und Susan konnten daher glücklich weiterleben, während wir die Vorstellung verließen und dabei die Seemannslieder summten, die Peter im Lauf der Vorstellung so schön für uns gesungen hatte.
Mitglieder der dänischen Papiertheatervereinigung konnten dabei auch etwas über Tempo in Dialogen und schnelle Kulissenwechsel bei offenem Vorhang lernen.

The Vest Pocket Playhouse: „Sweeney Todd“

Diese Vorstellung hatte die Geschichte eines Serienmörders in London als Hintergrund. Jon begann mit einer kurzen Einleitung über Sweeneys Friseurgeschäft, in dem die Kunden, bei denen es sich oft um Seeleute handelte, zu Tode kamen. Unter dem Geschäft befand sich ein Keller, in den die Leichen herunterrutschten. Neben dem Friseur befand sich Mrs. Lovettes Pasteten-Geschäft, der sich den Keller mit dem Friseur teilte.
Zu diesem Zeitpunkt der Einleitung begann das Publikum zu lachen und Jon konnte konstatieren, dass wir die Pointe wohl verstanden hatten. Wir sollten nur alles wieder vergessen, was wir gehört hatten und nur daran denken, dass es um Hackfleisch geht! Die Geschichte war die selbe wie immer – und doch. Der arme junge Mann kann das Mädchen, das er liebt, nicht bekommen. Er fährt zur See. Als ein dünner Lehrling bei Sweeneys gemästet werden soll, bevor er verspeist wird, entdeckt er einen Finger in einer Torte. Er schöpft Verdacht und schafft es, unseren jungen Held, Mark, zu warnen, ehe er rasiert werden soll. Dann passiert sehr viel und am Ende brennt das Haus, aber Mark kann seine Geliebte aus den Flammen retten. Alles endet so glücklich – oder etwa nicht?
Wenn man vom makabren Thema absieht, war es eine sehr lustige Vorstellung, bei der das Publikum viel lachte. Das Spieltempo war auch hervorragend. Die Kulissen wurden mit einem Ruck gewechselt und auf den Boden geworfen. Totto empfahl uns diese Vorstellung und wir waren froh, sie gesehen zu haben.

Theatrum ad ludendum: „The Fairy’s Island (Die Feeninsel)“

In Preetz sollte ein Theater einen Namen haben, daher dieser lateinische Name. Diese Vorstellung aus dem „Illustreret Familie Journal“ von 1917 wurde von Knud Erik auf Englisch gespielt, mit der Stimmung und Ruhe, die zu einem solchen Märchen gehören. Die Kulissen waren aus dem Familie Journal vergrößert worden und schön mit Pastellfarben angemalt. Es war eine Vorstellung, die viel Beifall erntete.

Svalegangens Dukketeater: „Die Weissagung der Seherin“

Der Titel des Stückes verlangt einen fortgeschrittenen Deutschkurs. Auf Dänisch heißt das Völvens Weissagung und damit wissen die meisten von uns, dass es sich um die schöne visuelle Vorstellung handelt, die wir in Svalegangens Dukketeater in Arhus sehen konnten. Es ist ein gutes Beispiel für neue Denkansätze innerhalb der Papiertheaterwelt. Dieses Mal mit Dialogen, die ins Deutsche übersetzt wurden.

Übersetzung aus dem Dänischen: Andrea Feddersen

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