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Preetz 05 – Entwicklung
und neue Tendenzen

Von Sven Erik Olsen – Auszüge aus Suffløren 4/05

Das 18. Papiertheatertreffen in Preetz war auch diesmal ein großes Erlebnis, sowohl für das Publikum, als auch für die Mitwirkenden. Dieses Treffen ist in seiner Qualität ein Spiegel der Papiertheatersituation im Jahr 2005. Man stelle sich vor, dass die Papiertheaterspieler aus Dänemark, Schweden, Deutschland, Holland, Frankreich, Großbritannien und USA den traditionellen Weg fortgesetzt hätten – die alten traditionellen Vorstellungen mit genau den alten Dekorationen, dazu die bekannten Dialoge mit der passenden Dosis effektvoller Beleuchtung und Geräusche. Seit dem ersten Treffen in Preetz 1988 hat jedoch eine andere Entwicklung stattgefunden, ohne die sich das Papiertheater sehr schnell rückwärts bewegt hätte. Diese Entwicklung ist spürbar, die 18 Jahre haben eine deutliche Spur in der 200jährigen Geschichte des Papiertheaters hinterlassen.

Die Treffen der ersten Jahre folgten noch dem traditionellen Muster. Vorstellungen des klassischen Repertoires aus Deutschland, Dänemark und England ließen die Augen öffnen für die vielen Papiertheaterformen der verschiedenen europäischen Länder. Es gab bis dahin zum Beispiel nicht viele Dänen, die je eine traditionelle englische Aufführung gesehen hatten, die sich doch in jeder Hinsicht stark von den dänischen unterscheidet. Genau so wenig hatten sie die Möglichkeit, eine Aufführung zu sehen, die auf Werken von Schiller und Goethe basiert. Umgekehrt konnten die Dänen beweisen, dass die dänische Papiertheatertradition tatsächlich noch gesund und munter war. Das Repertoire von Aller aus den 40ger Jahren, vom Familie-Journal seit dem ersten Weltkrieg und zuletzt – aber nicht minder – die reichhaltige Produktion Alfred Jacobsens, die noch Anwendung auf den kleinen Bühnen fanden.

Dieses konnte nicht ewig fortgesetzt werden, langsam bemerkte man, dass es noch viele andere Möglichkeiten gab, Papiertheater zu spielen. Daher haben die Papiertheatertreffen in Preetz eine sehr große Bedeutung bekommen. Zum einen ist die Tradition weitergereicht worden an viele tausend Menschen, die sonst nie auf das »Papiertheater« gestoßen wären – vor allem aber wurde den Spielern bewußt, dass es nicht so einen festen Rahmen gibt, wie man geglaubt hatte. Zum Beispiel das Proszenium und das Theater selbst: so nutzen die Dänen meistens entweder das »königliche« oder das »Pegasus«, während man südlich der Grenze vorzugsweise die mehr oder wenig überladenen Proszenien von Schreiber und Scholz benutzt … Aber nirgendwo gab es ein Zeichen einer Weiterentwicklung in diesem Bereich.

Dieses gilt auch fÜr die Methode des Spielens. Gut versteckt hinter einem Vorhang haben die Akteure sich vom Publikum distanziert, während der Kassettenrekorder seine Töne in den Zuschauerraum schickt, begleitet vom fleißigen Scharren der Figurenführer. In dieser Weise spielt man zwar auch heute auch noch, aber seit dem ersten Papiertheatertreffen hat man viele neue Beispiele für das moderne Papiertheater geschaffen … Ist es eigentlich möglich, Papiertheater modern zu machen? Schon der Begriff ist unklar – im schlimmsten Falle sogar missverständlich.

Doch die Folgen des Geschehenen sind viel weitreichender. Die Papiertheaterspieler hatten sich selber eine Grenze gesetzt, was und wie man spielen konnte, und besonders in Dänemark sah man mit wenigen Ausnahmen keinen Grund, von dieser Tradition zu abweichen … Das Risiko aber ist, dass eine neue Generation in der Zukunft nur ein Achselzucken für das Papiertheater hat, in einer Zeit, in der Computerspiele und ähnliche Unterhaltung in immer größerem Umfang virtuelle Erlebnisse bieten, die man vor 18 Jahren überhaupt nicht gekannt hatte.

Als der Initiator des alljährlichen Papiertheatertreffen in Preetz, Dirk Reimers, das erste Mal seinen Plan bekannt gab, war auch ihm nicht bewusst, dass dieses beinahe die letzte Chance zur unbedingt notwendigen Erneuerung des Papiertheaters war. Das Treffen wurde zum lange erwarteten Katalysator für das Papiertheater. Jede Vorstellung in Preetz wird von Papiertheaterkollegen besucht, die oft nicht ein einziges Wort der Dialoge verstehen. Das ist auch nicht immer notwendig, weil man Inspiration an vielen Stellen finden kann: das Design des Proszeniums, die Konstruktion des Theaters, der Stil des Spielens, Wahl des Stückes und vieles mehr. Für die Spieler ist die Gelegenheit zum kollegialen Zusammensein beim Treffen von großer Bedeutung. Durch die Jahre sind viele Freundschaften über die Grenzen hinweg entstanden, und diese Entwicklung hat eine weitere Bedeutung für Form und Struktur des Papiertheaterspielens. Am Freitagnachmittag des Treffens kommen Papiertheaterspieler aus allen Ecken der Welt und die Halle der Volkshochschule in Preetz ist angefüllt mit Sprachengewirr.

 

Pamela Anderson und Henrik Ibsen

In diesem bunt gemischten Trupp der Papiertheaterszene trifft man – zwischen viele anderen – Torgeir Stueng aus Norwegen, der vor ein paar Jahren hier aufgetreten ist. Totto – so heißt er unter Freunden – ist einen begeisterter Papiertheatermann … Er hat eine umfassende Kenntnis zum Thema Papiertheater – sowohl historisch als auch praktisch.
Totto erläutert, wie wichtig es ist, dass man moderne Texte für das Papiertheater benutzt. »Es geht nicht, dass man die alten Theatertexte, die am Ende bis zur Unkenntlichkeit verkürzt sind, noch verwendet«, meint Totto, »man muss etwas machen, was mehr in die Zeit passt, in der wir leben. Wir müssen etwas zeigen, was der jüngeren Generationen gefällt.« Ursprünglich waren die Vorstellungen Kopien des »großen« Theaters, und es gab lange Zeit kein geeignetes neues Repertoire.
»So war es früher«, sagt Totto, »dazu ist aber mein Einwand, dass Ibsen schon in 1880 ein großer Bissen für die Papiertheaterleute war. Man hat, so weit ich weiß, Ibsen nicht auf der Papiertheaterbühne gespielt.« Das muss man verändern«, lacht Totto, und er verrät, dass er tatsächlich an einer Inszenierung von »Ein Puppenheim« mit Pamela Anderson als Nora und Rowan Atkinson als Helmer arbeitet.

Gerade fÜr das Treffen in Preetz sollte es mehr Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus geben. So bereiten Totto aus Norwegen und Helmut Wurz aus Deutschland eine gemeinsame Vorstellung für 2006 vor. Es ist nicht das erste Mal, dass zwei Nationalitäten sich zu einen Projekt zusammenfinden: In Preetz konnte man 2004 Peter Baldwin aus England und Peter Schauerte-Lüke aus Deutschland mit einer prachtvollen Inszenierung von Pirates of Penzance erleben.
Totto bewegt sich weiter in der Menge der Zuschauer und Spieler, und schon ist er mit anderen im Gespräch. Ja, hier werden Gesichtspunkte und Ideen ausgetauscht, es wird kritisiert und gelobt, erklärt und untersucht – und alles unter dem Generalthema: Papiertheater, Modelltheater, Puppentheater.

 

Die Halle mit den viele Funktionen

Die Aula in der Volkshochschule ist der zentrale Platz des Papiertheatertreffens. Hier werden die Eintrittskarten für die vielen Vorstellungen verkauft, hier gibt es Handel mit neuen und alten Papiertheaterbögen, Büchern und Postkarten Hier treffen alle aufeinander auf dem Weg von oder zu einer Vorstellung. Ein buntes Sprachengemisch, denn im Laufe der vielen Jahre ist es tatsächlich gelungen, sehr viele Nationalitäten inner- und außerhalb der EU zusammenzubringen. Wir haben Papiertheaterspieler gesehen aus den USA, Südafrika, Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland, seinerzeit auch der DDR, England, Holland und Frankreich, jeder ein kleines Stück in dem großen Flickenteppich, den Dirk Reimers und seine vielen Helfer in 18 Jahren zusammengefügt haben.
Preetz wäre ohne das Papiertheatertreffen anders.

Jedes Jahr wird Preetz durch den Bürgermeister des Stadt, – er ist Vorsitzender des Fördervereins des Treffens – repräsentiert. Auch 2005 ist keine Ausnahme, und nach der Begrüßungsrede der Leiterin der Volkshochschule Preetz, Marlis Sennewald, wies der Bürgermeister auf die große Bedeutung des jährlichen Treffens für Preetz hin. Seit vielen Jahren freut man sich über das große Interesse von Gästen aus dem Ausland. Der Bürgermeister bemerkte, dass das Treffen ohne Unterstützung von privaten und öffentlichen Sponsoren nicht durchgeführt werden kann, und er war sicher, dass man auch in Zukunft von Seiten der Öffentlichkeit die notwendige Unterstützung bekommen würde. Dirk Reimers zeigte sich wie stets besorgt um die Ökonomie der nächsten Treffen, der Bürgermeister hält diese Sorge aber für unbegründet. »Dass wir kein Papiertheatertreffen haben, können wir uns ganz einfach nicht vorstellen«, sagte der Bürgermeister. Er bedankte er sich bei den Sponsoren für die Unterstützung, verbunden mit der Hoffnung auch auf zukünftige Zuwendung »… so dass Dirk Reimers nachts ruhig schlafen kann.«
Und so ist der Bürgermeister ganz sicher, dass es auch 2006 ein Papiertheatertreffen geben wird. Diese Bemerkung wurde mit Beifall aufgenommen.

In diesem Jahr war der Botschaftsrat der dänischen Botschaft in Berlin, Uffe Andreasen, als Redner zur Eröffnung geladen, der mit seinem Erscheinen die Zusammenarbeit dänischer und deutscher Papiertheaterspieler bekräftigte. Uffe Andreasen beschrieb in seiner Rede den Zauber des Papiertheaters und ins Besondere die Bedeutung des Papiertheaters für H.C. Andersen und die Entwicklung seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Es war gut gewählt, dass Per Brink Abrahamsen vom Svalegangens Dukketeater in der offizielle Eröffnungsvorstellung für ausgewählte Gäste Die kleine Meerjungfrau aufführte.

 

Epilog

Es gibt Dinge, die man bedenken sollte. Die verschiedenen Gruppen, die Papiertheater spielen, wollen alles zeigen, aber es gibt Grenzen. Es ist eine Tendenz zu erkennen, Szenen durch lediglich durch Bilder zu ersetzten, die über die Bühne bewegt werden, beinahe wie ein Zeichentrickfilm in »slow motion«. Diese Technik ist ab und zu nutzbar, sollte aber nicht überhand nehmen. Man muss wissen, dass man Papiertheater spielt – nicht einen Zeichentrickfilm! Die flachen, mobilen Figuren sollten weiterhin die zentralen Elemente in den tausend und abertausend phantasievollen Bühnenbildern sein, die es im Papiertheater gibt.

Es gab viele weitere AuffÜhrungen, die eine große Beachtung verdienen, zum Beispiel Morgonkulan, aufgeführt von Papagena Musik och Teater, Marianne Castegren aus Schweden. Oder aus Deutschland Montezumas Maler von Römers Privattheater. Es ist besonders bemerkenswert, wie glänzend der Däne Per Brink Abrahamsen vom Svalegangens Dukketeater es verstanden hat, die Papiertheatertradition über die Grenze zum 21. Jahrhundert mit sowohl klassischen als auch experimentellen Vorstellungen zu bringen. Sein Vermögen, zusammen mit Verfassern und Künstlern, die früher mit Papiertheater nichts zu tun hatten, zusammenzuarbeiten, ist legendär. Die kleine Meerjungfrau, die 1998 in Århus Premiere hatte, bekam verdienten Applaus und war ein würdiger Beitrag im unendlichen Strom der Ereignisse anlässlich des 200. Geburtstages des Dichters H.C. Andersen. Eine der besten Vorstellungen, muss man sagen! Die Dekorationen und Figuren sind von Dodie Masterman aus England entworfen und der perfekte Ton von dem sehr tüchtigen und treuen Kompagnon Søren Mortensen.
Tüchtigkeit und Professionalität sind Begriffe, die man in vielen Fällen beim Treffen in Preetz bemerkt hat. Hoffentlich gibt dies einer neuen Generation den Mut, sich mit dem Papiertheater zu beschäftigen. Wir brauchen dringend junge Leute, die diese Tradition fortsetzen.
Aber ohne die Plattform des jährlichen Treffens in Preetz, wären die Chancen dafür erheblich geringer. Daher ist es für alle Papiertheaterspieler, Kulturpolitiker und Papiertheatervereine sehr wichtig, die Initiatoren und Organisatoren Dirk Reimers und Marlis Sennewald und die vielen anderen zu unterstützen und zu ermutigen, die jährlichen Treffen weiter durchzuführen – diese Initiative sollte viele Jahren fortgesetzt werden!

 

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