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Geistererscheinungen

Zum 23. Preetzer Papiertheatertreffen
Von Willers Amtrup

Sechzehn teilnehmende BÜhnen, siebzig verschiedene Vorstellungen, fünf externe Spielstätten – man bräuchte logistische Unterstützung, um dieser Angebotsfülle auch nur einigermaßen gerecht zu werden und zwischendurch wenigstens etwas Zeit zu finden für Gespräche mit alten Freunden und neuen Bekannten; denn darauf hat man sich ja mindestens ebensosehr gefreut wie auf die Vorstellungen. Und auch sonst wäre ein bißchen Beistand nicht schlecht, weil in Preetz in diesem Jahr Ritter, Tod und Teufel sowie allerhand weitere Geister ihr Wesen resp. Unwesen trieben.

 

Sarah's Paper theatre: Krazy Kat

Ich hangele mich bei meinem Bericht wie üblich an meiner zeitlichen Abfolge entlang und beginne mit „Sarah's Paper Theatre“, einem echten Familientheater der Tochter Sarah und der Eltern Sylvia und Peter Peasgood. Sie spielten „Krazy Kat“, eine auf Comics von George Harriman aus dem Jahre 1936 basierende Episodengeschichte um eine Katze, die sich in einen Mäuserich verliebt, der wiederum mit Ziegelsteinen nach ihr wirft, deshalb von dem Polizisten Offissa Pup, einem Hund, ins Gefängnis geworfen und daraus wieder befreit wird; zu diesem guten Ende vereinen sich alle im Gesang, begleitet von Krazy Kat (alias Peter Peasgood) auf dem Banjo.

Letzterer präsentierte nach der Vorstellung die Vorlagen für Dekorationen und Figurinen – vergleichsweise winzige Zeichnungen, die von Sarah Peasgood überaus gelungen nicht bloß vergrößert, sondern zugleich stilisiert und zu einem stimmigen Ganzen komponiert worden waren. Schon die gut ausgeleuchteten, häufig dreidimensionalen Dekorationen, die im Hintergrund jeweils von Peter Peasgood auf einer vierfach geteilten Drehbühne aufgebaut wurden, hatten einen mehrfach surrealen Charme – ich denke z.B. an die Mausefalle, die im Stück als echtes Gefängnis auftaucht. Alle Figuren wirkten ausgesprochen skurril, waren mit beweglichen Köpfen und Gliedern versehen und konnten so äußerst lebendig agieren.

Die Handlung hatte Witz, eine niemals übersteigerte Dramatik und wurde von Sarah und Sylvia Peasgood live – allerdings manchmal ein wenig überzogen – gestaltet. Alles in allem ein sehr gelungener Auftakt für mich.

Camera Theatrum: Robin Hood – New Adventures

Die nächste Vorstellung, „Robin Hood – New Adventures“, dargeboten vom „Camera Theatrum“ mit Frits und Gerda de Nooijer ist optisch noch stärker eine vollkommene Eigenproduktion, denn Frits de Nooijer, ein niederländischer Maler und Zeichner, hat sämtliche Dekorationen und Figurinen gekonnt selbst entworfen und sich dabei penibel an historische Abbildungen gehalten. Das ergibt stimmungsvolle Tableaus, macht es bei der Fülle der auftretenden Personen manchmal aber etwas schwierig, die jeweils agierenden auseinanderzuhalten.

Auch die Handlung ist selbst erfunden: Robin Hood und seine Freunde werden im Wald von Räubern überfallen, können sich befreien, werden bald darauf auf einer Burg von feindlichen Truppen belagert, kämpfen später unter der Erde erfolgreich um einen dort verborgenen Schatz und überbringen diesen einem Erzbischof, der damit den gefangenen König Richard Löwenherz freikaufen soll.

Dieses dramatische Geschehen wird mit vielen beweglichen Figuren lebhaft dargestellt; auch Klappfiguren nach englischem Vorbild werden mehrfach verwandt. Beweglich sind natürlich auch die auftauchenden Fuhrwerke, weiter Wurfmaschinen für die Belagerung und anderes mehr. Leider aber ist der Bühnenausschnitt ziemlich eng, und es sind wichtige Dekorationen – z.B. das brennende Schloß – teilweise so tief im Bühnenhintergrund aufgestellt, daß sie nur von wenigen Zuschauern wirklich gesehen werden konnten; der Bühnenausschnitt könnte mit Gewinn vergrößert werden. Und auch das streckenweise etwas einfache Libretto bedürfte der Verbesserung. Insgesamt aber eine zweifellos lohnende Vorstellung.

Amager-Scenen: Geschichte einer Mutter

Man könnte meinen, daß gegenüber solch professioneller Kunst schlichtere Präsentationen hoffnungslos abfallen müssten. Das Gegenteil bewies bald darauf Winnie Deichmann Ebert von „Amager-Scenen“ mit ihrer „Geschichte einer Mutter“ von Hans Christian Andersen.

Wie die Spielerin eingangs ausdrücklich hervorhob, handelt es sich entgegen der Ankündigung nicht um ein Märchen, sondern um ein Stück aus den „Geschichten“ Andersens. Ihr Inhalt ist bald erzählt: Während eine Mutter bei der Wache neben ihrem schwerkranken Kind kurz einschläft, wird dieses vom Tod geholt. Die Mutter macht sich verzweifelt auf die Suche nach dem verschwundenen Kind und fragt nacheinander die Nacht, einen Dornenbusch, einen See, eine Gärtnerin nach dem Weg, muß für die Auskunft jeweils teuer u.a. mit ihren Augen und ihrem Blut bezahlen und findet schließlich den Tod in Gestalt eines Hüters über ein riesiges Gewächshaus, in welchem alle Bäume und Blumen menschliches Leben repräsentieren.

Als sie ihm droht, zwei dieser Blumen, darunter die ihres Kindes, einfach auszureißen, zeigt ihr der Tod das zukünftige Schicksal dieser zwei Menschen im Falle des Weiterlebens. Die Mutter erkennt, daß ihrem Kind nichts als Elend bevorstehen könnte, und überläßt Gott die Entscheidung über die Zukunft.

Diese Geschichte wird von der Spielerin live sehr eindrucksvoll und einfühlsam erzählt, während sie ohne Pause die meist dänischen Dekorationen wechselt und die Figuren – mehrfach Dreh- bzw. Klappfiguren – agieren läßt. Besonders schön gelungen ist die nach einem Foto gestaltete Schlußdekoration des Pflanzengartens. Ich habe keinen Zuschauer getroffen, der diese schlichte Vorstellung nicht ebenso wie ich als besonders anrührend empfunden hätte.

Wiener Papiertheater: Der Bauer als MillionÄr –
oder das MÄdchen aus der Feenwelt

Die nächste Vorstellung brachte für mich einen der Höhepunkte des diesjährigen Treffens, das „Wiener Papiertheater“ mit Kamilla und Gert Strauss sowie Manfred Heller. Sie spielten „Der Bauer als Millionär – oder das Mädchen aus der Feenwelt“, ein „romantisches Original-Zaubermärchen“ mit Musik von Ferdinand Raimund aus dem Jahre 1826, zu dem Trentsensky im selben Jahr ein Großes Theater und Figurinen von Schwind herausbrachte.

Die Handlung ist einigermaßen kompliziert und kann deshalb hier nur angedeutet werden: Lottchen, die Tochter der Fee Lakrimosa, muß auf Geheiß der mächtigen Feenkönigin einen armen Menschen-Mann heiraten und wird deshalb dem armen Waldbauern Fortunatus Wurzel übergeben, der sie verheiraten soll. In Betracht kommt der arme Fischer Karl, doch wird die Verbindung aus verschiedenen Gründen von den Geistern Neid und Hass – beide im Personenverzeichnis des Stückes als „Milchbrüder“ gekennzeichnet - hintertrieben, die zunächst Wurzel, dann Karl steinreich werden lassen, so daß aus Lottchens Heirat mit einem armen Mann nichts mehr zu werden scheint.

Erst als der Magier Ajaxerle aus Donau-Eschingen und der Geist Zufriedenheit ihr mit allerlei Zauberei zu Hilfe kommen, erkennen die beiden Krösusse, daß Geld allein nicht glücklich macht, verzichten darauf und machen so den Weg frei für die Heirat. Natürlich werden anschließend sowohl Wurzel wie Karl für ihre Einsicht belohnt, wenn auch in geringerem Umfang als zuvor.

Dieses Zaubermärchen ist wirklich zauberhaft auf die kleine Bühne gebracht worden. Die Spieler verwenden traditionelle Vorlagen – oft von Trentsensky – für ihre Dekorationen und Figurinen – aber was sie daraus machen, ist überaus modern. Da wabern Nebelschwaden über die Bühne, glitzern Lichter an winzigen, beweglichen Leuchtern, erscheinen Geister bei Blitz und Donner als Projektionen, fällt virtueller Schnee, verwandeln sich Fenster in Fernseher.

Die Ausleuchtung, u.a. mehrfach durch Spots, ist stimmig und absolut synchron zur Handlung. Akustisch wird die Aufführung bestimmt durch eine alte Hörspielaufnahme des ORF von 1955 mit viel Musik – ich verstand den Text zwar gelegentlich so wenig wie bei anderer Gelegenheit das „Franzenglish“ (ich will ja keine Namen nennen), aber die wienerische Atmosphäre war damit perfekt eingefangen. Begeisterter Applaus.

Baldi’s Papiertheater: Die Geschichte vom Soldaten

Und noch einmal das Thema „Geld macht nicht glücklich“: „Baldi's Papiertheater“ aus der Schweiz, bestehend aus Adolf Baldinger und drei weiteren Mitstreitern, brachte „Die Geschichte vom Soldaten“ auf die Bühne, ein Stück von Igor Strawinsky und dem Schweizer Autor Charles Ramuz: Ein Soldat, auf Heimaturlaub auf dem Wege nach Hause, tauscht seine Geige – seine Seele – gegen ein Zauberbuch ein, das ihm unermeßlichen Reichtum beschert. Erst später bemerkt er, daß er ein Geschäft mit dem Teufel getätigt hat, der ihm außerdem nur noch einen einzigen Besuch in seiner Heimat gestattet.

Der Soldat wird tatsächlich reich und reicher, wird aber ständig unglücklicher, zerreißt das Buch und eine als Ersatz gekaufte falsche Geige, gewinnt dann durch eine List seine alte Geige zurück, heilt (und heiratet) mit ihrem Ton eine Prinzessin und verfällt schließlich doch dem Teufel, weil er vor lauter Heimweh sein Dorf zu besuchen versucht und dadurch das unverändert gültige Verbot verletzt.

Diese „Geschichte“ ist als Stück für das Papiertheater etwas heikel, denn sie wurde von den beiden Autoren in schlechter Zeit – nämlich 1918 - speziell für ein kleines Ensemble einer Wanderbühne geschaffen und sollte deshalb mit einem minimalen Aufwand von Schauspielern auskommen. In der Konsequenz sollte der meist gereimte Text teils von einem Vorleser zur Musik rhythmisch deklamiert, teils von ihm und den Schauspielern zum Geschehen auf der Bühne gesprochen werden. Zitat Ramuz: „Die Erzählung und damit der Vorleser stehen im Vordergrund. (Er) muß … die Handlung vermitteln … und das ganze Szenenbild sichtbar machen, schon bevor Personen und Szenenbild da sind …“

Die Folge ist ein etwas zwiespältiger Eindruck dieser Aufführung: Während teilweise längere Passagen der Handlung bei geschlossener Bühne nur vom Erzähler vorgetragen werden, ist das, was sich dann auf geöffneter Bühne tut, absolut überzeugend. Die von Baldinger entworfenen Dekorationen sind mehrfach eindrucksvoll – besonders gelungen der Rollhorizont im 2. Bild und der Teufelsrachen am Schluß - , fast alle Figurinen sind beweglich gestaltet, etliche Szenen hätte man länger oder wiederholt sehen mögen – ich denke an das fliegende Pferdefuhrwerk des Teufels, Soldat und Teufel beim Kartenspielen und den tanzenden Teufel im Zimmer der Prinzessin.

Eine schöne Aufführung, die aber noch schöner werden könnte, wenn man noch mehr von der Erzählung wirklich als Spielhandlung zeigen würde.

Little Blue Moon Theatre: Roman Reveries

Auf die dezenten Anzüglichkeiten von Valerie und Michael Nelson mit ihrem „Little Blue Moon Theatre“ freut man sich nun schon einige Jahre jedesmal aufs Neue. Diesmal präsentierten sie „Roman Reveries“, Episoden einer Italienreise eines jungen Paares, die sich zu einer Mixtur aus Realität und Wunsch- bzw. Albträumen entwickelt.

Köstlich schon der Beginn, wenn man das Paar am Tisch eines Straßencafés in Venedig – wo sonst? - in vier rasch wechselnden Bildern so lange streiten sieht, bis die junge Dame wutentbrannt wegläuft.

Ihr geschieht dann in der Folgezeit auch das meiste: Unvorsichtigerweise hängt sie ihre Kleidung vor einem Bade an einen Haken, der sich als Teil eines Hirschgeweihs entpuppt und natürlich bald auf Nimmerwiedersehen entschwindet. Aber auch der Jüngling bleibt nicht lange bekleidet, und beide erleben dann getrennt alle möglichen erotischen Abenteuer, bis sie die Stadt am Ende gemeinsam wieder verlassen.

Die junge Lady wird von römischen Legionären gejagt, weibliche Zentauren „kümmern“ sich um den Jungen, der bald darauf von vier nackten Damen davongetragen wird. Neptun erscheint, ein römischer Adliger vernascht die Lady hinter den Kulissen so energisch, daß die ganze Bühne wackelt, Leda mit dem Schwan wird zitiert, alle Beteiligten präsentieren erotische Akrobatik der Spitzenklasse.

Das alles ist wie gewohnt in Dekoration und Figurinen höchst witzig selbst entworfen. Dabei wird außer der begleitenden Musik praktisch kein Wort gesprochen – gegen Ende aber singt Valerie Nelson zwei Arien von Puccini, sehr, sehr schön. Insgesamt wieder eine sehr gelungene Vorstellung – allerdings trauere ich den früher erzählten geschlosseneren Geschichten im Vergleich zu den italienischen Episoden etwas nach.

Haases Papiertheater: Farben des Südens

Die nächste Vorstellung war für Puristen sicher ein wenig gewöhnungsbedürftig – ich selbst empfand sie als einen weiteren Höhepunkt dieses Treffens. Die Rede ist von den „Farben des Südens“ mit „Haases Papiertheater“.

Schon die „Bühne“ ist ungewöhnlich: eine Staffelei mit einem zunächst schwarz verhängten goldenen Bilderrahmen, in welchem während des Spiels acht verschiedene Bilder Vincent van Goghs erscheinen, durch die der Lebensweg des Malers vom Beginn seiner Berufung als Maler bis zu seinem Tod dargestellt wird. Alle diese Bilder – darunter die berühmte Zugbrücke und das gelbe Haus bei bzw. in Arles, die Fischerboote am Strand und die nächtlichen Sternenwirbel über den silhouettenhaften Zypressen – sind zunächst nur zweidimensional sichtbar, verwandeln sich aber in dreidimensionale Landschaften, in denen ein Pferdefuhrwerk über die Zugbrücke fährt, Wäscherinnen tatsächlich waschen und Wäsche auswringen, Bahnen und Schiffe sich bewegen und im Schlußbild der (allerdings im Original nicht hierhin gehörende) Maler selbst durch das Kornfeld wandert.

Möglich wird das dadurch, daß die einzelnen Gemälde mit Hilfe des Computers in verschiedene Ebenen zerlegt worden sind, die anfangs eng aufeinanderliegen, dann aber wie eine Ziehharmonika auseinandergezogen werden und ihre räumliche Wirkung entfalten. Das wirkt bei der ersten Verwandlung echt verblüffend, ist aber auch bei allen folgenden Bildern so raffiniert gemacht, daß man immer wieder innerlich Beifall klatscht.

Im Verlauf der Vorstellung schildert Sieglinde Haase den Lebensweg von Goghs und baut dann anschließend die „Bühne“ um, während Martin Haase aus Briefen des Malers an seinen Bruder Theo vorliest und stimmungsvoll Gitarre spielt. Nicht zu vergessen eine gute Lichtregie und mit einfachsten Mitteln erzeugte Geräusche – eine beeindruckende Vorstellung!

Svalegangens Dukketeater: Heloise

Als nächstes bot Per Brink Abrahamsen von „Svalegangens Dukketeater“ sein Stück „Heloïse“ (Die Heldin) nach einer Geschichte von Karen (Tanja) Blixen dar.

Das Geschehen beginnt in Berlin im Jahre 1870 kurz vor dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges und zeigt zunächst einen französischen Theologiestudenten, der im Museum außer religiösen Bildern auch Darstellungen nackter Frauen, darunter der Venus, entdeckt, dann wegen des Kriegsausbruchs schleunigst nach Frankreich zurück will, aber in Saarburg hängenbleibt und dort zusammen mit einer großen Gruppe von Leidensgenossen von einem deutschen Offizier unter Spionageverdacht arretiert werden soll.

Dem soll die Gruppe nur dann entgehen können, wenn eine gerade angekommene französische Witwe namens Heloïse sich bereiterklärt, im Kostüm der Venus (hier ist der rote bzw. nackte Faden der Geschichte) alle Pässe einzusammeln und dem Offizier zu überbringen. Heloïse ist zwar bereit dazu, überläßt die Entscheidung aber der Gruppe, die das Ansinnen entrüstet ablehnt und den Offizier dadurch so beeindruckt, daß er alle laufen läßt. Jahre später trifft der Student in Paris erneut auf Heloïse, die nun im Venuskostüm in einem Varieté-Theater auftritt.

Per Brink Abrahamsen hat dieses Stück mit Dekorationen und Figuren von Frits Moeller zunächst in Aarhus mit einem dänischen Soundtrack aufgeführt und legte nunmehr in Preetz über diesen im Hintergrund weiter hörbaren Text die Erzählung einer Sprecherin in deutscher Sprache. Die einzelnen Akteure wurden dadurch nicht besonders hervorgehoben, und entsprechend sparsam gestaltete Abrahamsen die Figurenführung. Wie immer perfekt die Gestaltung der Bühne und die Lichtregie, u.a. mit einem überaus gelungenen Gewitter.

Facto Teatro: Panteon de Fiesta

Ich bin kein Papiertheater-Purist und scheue mich deshalb nicht, der nächsten Vorstellung, die ich sah, den „Goldenen Schuh“ – oder wie kann man in der Schusterstadt Preetz den ersten Preis sonst nennen? – zuzuerkennen. Die Rede ist von „Panteón de Fiesta“ der aus absoluten Profis bestehenden mexikanischen Gruppe „Facto Teatro“.

Ihr Stück ist rasch erzählt und doch so vielschichtig, daß man sehr viel mehr dazu sagen müßte. Im Kern geht es um die aus der Mythologie eines mexikanischen Volksstammes stammende Reise des verstorbenen Procopio an den Ort der letzten Ruhe, eine Reise, auf der er zahlreiche Gefahren – einstürzende Gebirge, schreckliche Eidechsen, Krokodile, eisige Winde mit fliegenden Messern – bestehen und außerdem überhaupt erst begreifen muß, daß er tot ist, damit er in der Konsequenz den Sinn des Lebens begreift.

Die Gruppe stellte sich zunächst kurz vor, beweinte anschließend herzerweichend Procopios Tod, erschien dann in in einer Prozession mit indianischem Federschmuck und agierte anschließend in dem für diese Vorstellung besonders geeigneten Speicher-Spielort in der Weise, daß zwei Schauspieler im Zentrum der Aktion auftraten und zwei Musiker mit Gitarre und einer kleinen Harfe spielend und singend das Geschehen sowohl begleiteten wie vorantrieben.

Die beiden Schauspieler waren jederzeit voll sichtbar, brachten sich selber ständig in die Handlung ein, benutzten teilweise eine Bühne mit einem mit Totenköpfen verzierten Proszenium, in dem sie von oben mit ihren Figuren spielten, veränderten aber ständig die Art der Darstellung und ließen bei aller Professionalität eine Spielfreude erkennen, die begeisterte.

Da gab es Geistererscheinungen, eine geheimnisvoll ausgeleuchtete Höhle, fliegende Schwerter, ein als Schattenspiel gestaltetes Krokodil, das intensiv redete, ein überaus erheiterndes Trinkgelage und schließlich einen Nackthund, die nach dem Einführungstext „sowohl als Haus- und Wachtier, aber auch als Nahrung sehr beliebt“ waren.

Hier war manches gewiß kein Papiertheater im hergebrachten Sinne, aber ich finde solchen Aufbruch zu neuen Ufern unbedingt positiv, zumal wenn er in einem so perfekten Zusammenspiel dargeboten wird wie von den vier Mitgliedern der Gruppe. Rauschender Beifall.

Robert Poulter's New Model Theatre: Valsha, die Sklavenkönigin

Mein letzter Besuch galt einem weiteren Höhepunkt dieses Treffens, „Robert Poulter's New Model Theatre“ mit „Valsha, die Sklavenkönigin“. Poulter hatte sich dabei ein Melodram des 19. Jh. ausgesucht, eine verworrene Geschichte – very british –, die ihm Gelegenheit zu lebhafter Aktion und ständigem Wechsel von Schauplätzen und Positionen der Akteure bot.

Das ganze spielt im „alten“ Prag, wo alle Frauen der besiegten Völker versklavt sind, aber ihren Herren heiraten können. Der verwitwete König Przemislaus hat seiner Sklavin Valsha die Ehe versprochen, macht aber einen Rückzieher, dankt ab und übergibt die Krone seinem Sohn Ludgar. Valsha zettelt daraufhin einen Aufstand der Sklaven an, bedient sich dabei der Hilfe des geheimnisvollen, finsteren Graff, besiegt Ludgar, wird Königin, dann wieder abgesetzt und schließlich von Graff als Vollstrecker eines Todesurteils dadurch getötet, daß er sie vom Burgturm in die Tiefe wirft – nach dem Einführungstext Poulters „die (damals) beliebteste Form der Hinrichtung“. Wie sich anschließend herausstellt, war er der von König Przemislaus gezeugte uneheliche Sohn Valshas.

Diese schauerliche Geschichte erlebte ihre Uraufführung 1837 im Adelphi Theatre in London, wobei der Schauspieler O. Smith den Graff darstellte – ich erinnere daran, daß Poulter und Peter Baldwin vor 3 Jahren ein hinreißendes Portrait dieses als „König des Schreckens“ populären britischen Schauspielers präsentiert hatten.

Daß Robert Poulter aber gerade auch als Alleinunterhalter absolute Spitze ist, brauche ich nicht weiter zu betonen – ich kann mich jahrein, jahraus immer nur wiederholen. Auch diesmal gab es seine rasanten Szenenwechsel, seinen abwechslungsreichen Drehhorizont, gab es mehrfach veränderte Bühnenausschnitte, Aktionen auf 2 Ebenen, turbulente Massenszenen und wiederholt ein Geschehen, bei dem innerhalb kürzester Zeit Figuren in vier bis fünf verschieden Posen auftraten – das macht ihm niemand nach! Beeindruckend am Schluß die Turmkulisse. Das Publikum war begeistert – und ich auch!

 

Wie schon frÜher einmal schließe ich mit dem abgewandelten Gruß: »Nächstes Jahr in Preetz«!

 

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