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Compagnie Papierthéâtre: Romeo and Juliet

Norbert Neumann zum 23. Preetzer Papiertheatertreffen

Er war Schauspieler, Bühnenbildner, Kostümentwerfer, Regisseur, Stückeschreiber, Holzschneider und  d e r  Theaterreformator des   beginnenden 20. Jahrhunderts. Er arbeitete in seiner Heimat London, in Deutschland, Russland, Frankreich und anderswo mit den bedeutendsten Theaterleute zusammen. Aber als Edward Gordon Craig 1966 im Alter von 94 Jahren starb, schrieb DIE ZEIT in ihrem Nachruf: „Aber zur Vergangenheit wird, (zur Recht oder zu Unrecht) zuweilen auch gezählt, – wer einmal   Geschichte gemacht hat: Der jungen Generation ist Craig kaum mehr ein Begriff.“ Doch nach Jahrzehnten bietet ihm das Papiertheater, das er einst selbst sammelte, die pappenen Bretter für ein bescheidenes Comeback.

Bescheiden …? Unter alten Papiertheater-Hasen war Alain Lecquc immer für eine Überraschung gut. Diesmal präsentiert sich seine französische Compagnie Papierthéâtre scheinbar traditionell: Die Bühne, Kopie eines alten englischen Proszeniums, flankiert von der historischen Häuserzeile der Londoner Drury Lane. Hinter denen hervor holen Narguess Majd, Alains großartige iranische Partnerin, und Alain als vergrößerte Figuren Shakespeare, andere Stückeschreiber und weitere Theaterleute und – Romeo und Juliet, die unverkennbar die Züge des jungen schwarzbärtigen Alain und der charmanten Narguess tragen. Alle gekleidet nach der Mode von 1917, als Craig diese Shakespeare-Parodie schrieb.

Auf der Bühne dann ein schmachtender Romeo-Alain unter dem Fenster der koketten doch den Geliebten immer wieder hinhaltenden Juliet-Narguess. Als sich die Szene wendet und einen Blick in das Innere des Hauses gewährt erkennt man: Das bezaubernde Gesichtchen Juliets steckt auf einer – Schneiderpuppe. Die für Romeo höchst unbefriedigende Romanze zieht sich in dieser Form über Jahre hin. Nur verliert der Liebhaber dabei eines seiner Gliedmaßen nach dem anderen (wohl Ausdruck der Traumata des 1.Weltkrieges), bis er zum Schluss, nur Rumpf und Kopf, im Rollstuhl   sitzt, während Juliet mit wohlgestalten Gliedmaßen und elegant   gekleidet auf die Straße tritt.

So folgt sie auch dem Leichenzug des armen Romeo und mit ihr die schwarzen Gestalten aus Craigs Holzschnitten. Den Abschluss bildet (und das bei Alain, dessen Produktionen die Papiertheater-Puristen stets mit der bohrenden Frage begleitet haben: Ist das noch   Papiertheater?) die fröhlich bunte Starparade der heutigen Papiertheater-Prominenz.

 

PS: Großartig, Alain und Narguess! Nur den Ruhm, als erste den EGC fürs Papiertheater entdeckt zu haben, muss ich euch streitig machen. Bereits anfangs des neuen Jahrtausends hat Robert Poulter den Edward Gordon als altklugen kleinen Burschen in seiner papiertheatralischen Irving-Biographie „Tis I“ auftreten lassen. Und in PapierTheater   Nr. 27, Seite 23, haben wir das Gemälde abgedruckt, das Craig als   Hamlet darstellt. „Romeo and Juliet“ aber ist ein sprühender Beweis für die   lebendige Wechselwirkung zwischen Theatergeschichte und Papiertheater. D.O.

 

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