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Lokomotive Preetz

Zum 26. Preetzer Papiertheatertreffen von Sven-Erik Olsen
aus Oldfux Nr. 3, 2013

Stellen wir uns einmal folgendes vor: Was wäre, wenn es nie ein Papiertheatertreffen in Preetz gegeben hätte. Wie wäre wohl das Interesse fürs Papiertheater in Dänemark oder im Ausland? Nicht sehr groß! – es wäre kein angenehmer Gedanke, denn zweifellos war das Treffen in Preetz viele Jahre lang die Lokomotive für den Fortbestand des Papiertheaters. Da wurden gute Kontakte über alle Grenzen hinweg geknüpft, lang anhaltende Freundschaften entstanden und es gab viele Anregungen, mit denen alle Papiertheaterspieler weiter arbeiten und diese vielleicht später in Preetz vorstellen konnten. Dieses hat wiederum andere inspiriert und auf diese Weise hat die »Lokomotive Preetz« die Bahn geebnet für ganz neue Ideen.

Bedeutet dies nun, dass alles, was in Preetz gespielt wurde, sich am oberen Ende der Skala befand? Nein – selbstverständlich nicht – es waren auch weniger professionelle Stücke dazwischen, aber warum auch nicht, bei so vielen Aufführungen über all die Jahre. Ich erinnere mich, wie damals, vor 26 Jahren, Papiertheater gespielt wurde. Es war das »klassische« Papiertheater bei dem man sich im Großen und Ganzen an das gedruckte Repertoire hielt und sich eines Kassettenrecorders bediente, wenn Dialoge und Musik hinzukamen.

Wenn das diesjährige Preetzer Repertoire vor 26 Jahren gespielt worden wäre, hätten viele den Kopf geschüttelt und gesagt, das hätte nichts mehr mit Papiertheater zu tun. Mittlerweile wird uns in Preetz doch etwas ganz anderes präsentiert. Darüber dürfen wir eine Meinung haben, die nicht notwendigerweise positiv sein muss. Wir können uns über Traditionen eine Meinung bilden, so wie wir auch andere Ereignisse der Vergangenheit subjektiv bewerten. Scheint es uns nicht so, dass in unserer Kindheit an Weihnachten mehr Schnee fiel? Scheint es nicht auch, dass das Tivoli in Kopenhagen früher gemütlicher war? Und was ist mit den Theatern? Früher konnte man an der Liebe zum Detail bei den Bühnenbildern sehen, dass man im richtigen Theater war – und heute begnügt man sich mit wenigen schwarzen Vorhängen, zwei Stühlen und einem Kleiderständer.

Schaut man sich die Vorstellungen in Preetz 2013 genauer an zeigt sich, dass alles repräsentiert wurde – das gute Alte, dasNeue und Progressive, das Schöne und Ästhetische, das Einfache und das Interessante …

Was ist richtig und was ist falsch? Beim Papiertheatertreffen in Preetz bekamen wir darauf keine Antwort. Hier wurde es sehr deutlich, dass jeder einzelne Spieler seine eigene Auffassung darüber hat, was gutes und richtiges Papiertheater ist - Gott sei Dank! Inspirationen bekamen wir auf jeden Fall, und das darf nicht unterschätzt werden.

Aus diesem Grund ist es etwas schwierig, wie man sich bei der in Gang gekommenen Diskussion über die Zukunft des Papiertheaters, die an anderer Stelle in Deutschland stattfindet, verhalten soll. Ein Seminar – ein weiteres findet dort noch im Herbst statt – versucht zu klären, ob das Papiertheater in seiner jetzigen Form noch eine Zukunft hat.

In der letzten Ausgabe von Oldfux erwähnte Per Brink Abrahamsen, dass es schwer sei, neue Spieler zu bekommen und dass es kein brauchbares Repertoire gäbe. Er findet, dass es in Deutschland nicht ganz so schlecht sei, hier habe man ja die großen Klassiker. So schlecht ist es in Dänemark  nun auch wieder nicht. Auch wir haben unsere »Klassiker«, wie ich im Leitartikel der letzten Oldfux-Ausgabe schrieb.

Es ist sehr begrüßenswert, über die Zukunft des Papiertheaters zu diskutieren, und wir haben auch hier im Oldfux sowie auf unserer Homepage einige diesbezügliche Gesichtspunkte gebracht. Allerdings wäre es recht traurig, wenn sich diese Diskussionen zu einer Geschmacksdiktatur ausprägten, wobei ein kleiner Kreis etwas diskutiert, das als Versuch aufgefasst werden kann, das Papiertheater in eine unabänderliche, festgelegte Form zu manövrieren. Es ist äußerst positiv, sich diesem Thema zu stellen, aber es kann sich sehr leicht zu einem akademischen und ziemlich uninteressanten Spiel mit leeren Worthülsen entwickeln.

Mir persönlich wäre es lieber, dass weiter experimentiert wird, wie man das in Preetz tut, wo richtig viele Papiertheaterspieler hier und jetzt ihren Senf dazugeben können. Das hier ist die Tagesordnung der letzten Jahrzehnte und gilt auch für das zukünftige Papiertheater. Das ist meiner Meinung nach nicht allein durch ein Gespräch am runden Tisch getan.

Danke Preetz! – 26 Jahre warst du die Lokomotive des Papiertheaters. Mach mit Volldampf weiter!

Übersetzung aus dem Dänischen von Helmut Wurz

 

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